In Orpheus‘ Namen – Nachruf auf Hanspeter Aeschlimann (1945-2025)
Wer Hanspeter Aeschlimann kennen und schätzen gelernt hat, vermisst ihn schmerzlich. Jahrzehntelang war er ein charismatischer Orgellehrer, der sich mit feinem Spürsinn und gründlicher Sachkenntnis mit den formalen, musikalischen und kulturgeschichtlichen Besonderheiten der Musikwerke unterschiedlicher Epochen auseinandersetzte. Er entfaltete eine rege Konzerttätigkeit und realisierte auch in seinem eigenen «Orpheus»-Verlag mehrere Langspielplatten. An seine Leistungen und an die der Mitmenschen legte er hohe Massstäbe an. Sein eigenes Licht stellte er dabei gerne unter den Scheffel, doch freute es ihn, wenn seine besonderen Qualitäten gleichwohl auffielen und gelobt wurden.
Nach monatelangem Leiden ist Hanspeter Aeschlimann am 5. September 2025 verstorben. In der Margarethenkirche, an deren Metzler-Orgel er von 1964 bis 2010 kirchliche Feiern musikalisch umrahmt und Orgelschüler unterrichtet hatte, versammelte sich am 19. September 2025 eine grosse Trauergemeinde. Von dieser Kirche aus überblickt man die Stadt Basel, deren Musikleben der Verstorbene jahrzehntelang bereichert hat. Pfr. Beat Meier (Oberwil BL) trug den von Brigitte Aeschlimann verfassten Lebenslauf über den Werdegang und den Charakter des Verstorbenen. Nur wenige dürften gewusst haben, dass Hanspeter Aeschlimann ausser Musik und Orgelspiel auch Mathematik und Physik studiert und diese Studien erfolgreich vollendet hat. Er prahlte nie mit seinen Kenntnissen. Wenn man ihn aber um Auskunft bat über akustische oder optische Phänomene, hielt er zur Verblüffung der Umstehenden ohne Vorbereitung einen druckreifen Vortrag über die fraglichen physikalischen Zusammenhänge!

(Foto: z.V.g.)
Von 1974 bis 2010 war Hanspeter Aeschlimann, der bei Eduard Müller (Basel), Anton Heiller (Wien) und Marie-Claire Alain (Paris) studiert und seine Studien in Wien mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, an der Musik-Akademie Basel tätig. Er entfaltete eine rege internationale Konzerttätigkeit. Nach seiner Emeritierung begann er, Kultur- und insbesondere Orgelreisen zu organisieren. Er gründete die Reisefirma «Orpheus Reisen» und organisierte neben Kulturreisen auch Orgelstudienfahrten, wobei die daran teilnehmenden OrganistInnen jeweils auch selbst auf den besuchten Orgeln spielen durften, und zwar innerhalb eines sekundengenau bemessenen, ihnen im Voraus, unter Berücksichtigung der Länge der von ihnen ausgewählten und zu spielenden Werke, zugeteilten Zeitabschnittes. Dabei hatten alle aktiven TeilnehmerInnen Anrecht auf die insgesamt gleiche Zeitdauer des Orgelspiels. Später begannen andere Organisten sowie mehrere Kantonalverbände des RKV, ebenfalls Orgelreisen zu veranstalten. Für Hanspeter Aeschlimanns «Orpheus Reisen» kennzeichnend war, dass sie eine überraschende Vielfalt erlesener Kulturgenüsse zugänglich machten; man besichtigte nicht nur Kirchen, sondern – je nach dem Potential der besuchten Region – auch ein ortsspezifisches Museum, das Zentrum der Altstadt, bestimmte Restaurants, in denen man eine besondere Atmosphäre oder spezielle Gerichte geniessen konnte. Stets bemühte er sich, lokale Spezialisten als Referenten und als Helfer beim Spiel an den z.T. uralten historischen Orgeln zu engagieren. So unterstützte und förderte er nebenbei auch die lokalen Orgelexperten. Wer jahrelang an Hanspeter Aeschlimanns Orgelfahrten teilnahm, lernte niederländische, alte wie auch zeitgenössische spanische, französische, schweizerische, italienische und deutsch-rumänische Orgeln kennen. Durch die sorgfältig vorbereitete aktive Teilnahme ging dies gepaart mit dem Studium einschlägiger Orgelliteratur.
Auf den «Orpheus»-Orgelreisen traf sich eine Gruppe von LiebhaberInnen der Orgelmusik, die nach und nach zu einem Freundeskreis zusammenwuchs. In den letzten Jahren schrumpfte dieser Kreis allerdings durch den Tod mehrerer hochbetagter TeilnehmerInnen. Überdies verunmöglichte die COVID-Pandemie diverse geplante Orgelreisen, so etwa die für den Herbst 2020 bereits detailliert geplante Fahrt nach Alkmaar und Haarlem. Doch ersetzte Hanspeter Aeschlimann die vereinbarte Reise damals spontan durch eine Fahrt zu den historisch wertvollen Orgeln des Goms wie auch der kulturgeschichtlich bedeutenden Walliser Orte Brig, Naters und Raron. Die von ihm organisierten Reisen waren reich an überraschenden kulturspezifischen Einblicken wie auch an unverhofften Erholungsmomenten. So organisierte er in Rom (2019) die Übernachtungen in einem Landhotel weit ausserhalb des Stadtzentrums. Dort konnte man zauberhafter landschaftlicher Umgebung Abend- oder Morgenspaziergänge unternehmen oder das Schwimmbecken im weitläufigen Park des Hotels benützen, wenn man nicht die apart und bequem eingerichteten Hotelräume oder die Dachterrasse mit ihren atemraubenden Ausblicken bevorzugte. Hanspeter Aeschlimann war ein Meister der perfekten Vorbereitung, doch konnte er sich innerhalb des Zeitschemas auch selbst manchmal dem Genuss besonderer Momente hingeben. Schelmische Freude funkelte auf seinem Antlitz, wenn es ihm gelang, die Mitreisenden zu überraschen mit ausserordentlichen Erlebnissen wie (2021) beispielsweise dem Besuch des Museo del Falegname in Almenno San Bartolomeo, des Casinò Municipale di San Pellegrino Terme, eines Gesamtkunstwerkes des Jugendstils in der Lombardei, oder des unterirdischen, im Kellergeschoss unter dem Chor der Kirche S. Alessandro in Colonna (Bergamo) befindlichen Ganges, wo mehr als 30 Meter lange Abstrakten (Holzleisten) zu bewundern sind, die die Tasten der beiden einander hoch oben im Chor gegenüberstehenden Orgeln miteinander verbinden, so dass von der einen Orgel aus beide Instrumente zugleich bedient werden können…
Wehmütig, aber voll Dankbarkeit erinnern sich viele des Verstorbenen. Hanspeter Aeschlimann war ein Virtuose erlesenen Genusses, der glücklich war, wenn er Liebhabern der Orgelmusik als Musiker und als Reiseleiter ganz besondere ästhetische Erfahrungen ermöglichen und sie zu einzigartigen Stätten von kulturhistorischer Bedeutung und aparter Schönheit führen konnte.
Möge er sanft ruhen! Sit tibi terra levis!
